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Damit die Züge rollen

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Damit die Züge rollen

Zug um Zug rauscht vorbei. Für Gleisbauer Arbeitsalltag. Dass sie sich daran gewöhnt haben, macht ihren Knochenjob nicht ungefährlicher – eher im Gegenteil. Ein Besuch auf einer Gleisbaustelle.


von Katharina Müller-Güldemeister (Text),
Philipp Reiss (Fotos und Videos)
und Holger Schmidt (Redaktion)

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Wenn die Instandhaltungsmaßnahmen – also zum Beispiel das Verdichten des Gleisbettes mit Schotter und das Schleifen der Gleise – nicht mehr reichen, lautet der Auftrag: einmal alles, bitte! Also neuer Schotter, neue Schwellen, neue Schienen. Damit ist Willke rail construction in Pinneberg beauftragt.

Die ältesten Schwellen liegen hier seit 1985 im Gleisbett. Je nach Geschwindigkeit und Belastung bleiben sie 20 bis 40 Jahre an ihrem Platz. Weil durch Pinneberg keine Hochgeschwindigkeitszüge fahren, haben sie so lange gehalten.

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Der Schotter hat sich durch Vibrationen und das Aneinanderreiben der Steine abgenutzt, das Gleisbett ist versandet. „Das merkt man auch beim Fahren, das Gleis liegt dann nicht mehr so schön“, erklärt Jens Kalthoff von Willke rail construction.

Neue Schienen gibt es auch. Die stehen schon am Nachbargleis auf einem Flachwagen bereit. Jede misst 120 Meter. Bevor sie verbaut werden kann, muss das alte Gleisbett aber erst zurückgebaut werden.

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Der erste Schnitt ist besonders gefährlich. Da sei „ordentlich Druck auf der Schiene“, sagt Kalthoff. Deswegen nimmt man dafür am besten den Brenner, dessen Flamme sich aus einer Flasche Sauerstoff und einer Flasche Propangas speist, und rund 2.850 Grad heiß wird. Nach dem ersten Schnitt ist das Gleis entlastet und man kann es auch mit dem Trennjaeger – einer rotierenden Grafitscheibe – schneiden.

Wenn die Schienen noch unter Druck stehen, habe der Trennjaeger aber seine Tücken. Leicht könne es passieren, dass das Blatt zugedrückt werde und blockiere, sagt Kalthoff. Dann gebe es einen großen Ruck und die Scheibe bleibe stehen. Ohne Sicherheitsvorrichtung könnte der Arbeiter dadurch nach vorne geschleudert werden.

Den Trennjaeger freihändig zu benutzen, ist deshalb verboten. Ein Metallarm, der an die Schiene geschraubt und in das Trennschleifgerät eingehakt wird, stabilisiert die Führung. Für den ersten Schnitt sei der Brenner trotzdem die sicherere Wahl. Bei Willke darf die Geräte nur benutzen, wer eine Schulung absolviert hat.

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In Pinneberg ist der Rückbau erledigt. Mithilfe eines Zweiwegebaggers, der sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße vorwärts wie rückwärts fahren kann, sind die alten Schienen und Schwellen ein paar Tage zuvor auf Wagen verladen worden. Nun rauscht der Bagger auf Gleis 3 entlang und bringt die neuen Bauteile fürs Gleis.

Beim Rückwärtsfahren schaut der Baggerführer, der gleichzeitig ausgebildeter Lokführer sein muss, auf einen Bildschirm, der die Aufnahme seiner Rückfahrkamera überträgt. „Alle Gleisbauer und Arbeitszugführer tragen Kleidung in grellem Orange mit aufgenähten Reflektoren, die man mit der Kamera auch in der Dunkelheit gut sieht“, sagt Jens Kalthoff. Was sonst noch zur persönlichen Schutzausrüstung (PSA) gehört, erklärt der Technische Leiter des Standorts Nord im Video.

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Gefährlich bleibt der Job des Gleisbauers trotz der PSA, etwa wenn Maschinen umstürzen oder Bauteile herunterfallen. Oder auch, wenn Arbeiter leichtsinnig werden, „mal eben“ ein vergessenes Werkzeug holen wollen und der Zug noch nicht in Sicht ist.

Gerade bei einer Baustelle in Insellage ist Vorsicht geboten. Dann müssen jedes Mal Gleise gesperrt werden, um zur Arbeitsstelle zu gelangen. In unmittelbarer Nähe zu befahrenen Gleisen oder wenn Gleise nicht abgesperrt werden können, kommt ein automatisches Warnsystem (ATWS) zum Einsatz. Manchmal werde das Signal dieser Anlage auch überhört, erklärt Kalthoff. Nicht, weil es nicht laut genug wäre, sondern weil man sich irgendwann an das Tröten gewöhne.

Die Baustelle in Pinneberg sei laut Kalthoff verhältnismäßig einfach. Die Oberleitungen mit einer Spannung von 15.000 Volt sind in diesem Bereich ausgeschaltet und vom Container zur Baustelle kommen die Arbeiter, ohne ein befahrenes Gleis überqueren zu müssen.

Bevor die Arbeiten losgehen, gibt es vor Ort eine Einweisung in die Baustelle und die geforderten Sicherheitsmaßnahmen, die von allen gegengezeichnet werden muss. Auch die Arbeitsgrenzen sind Teil der Einweisung, sie werden anhand eines Lageplans erklärt: An den Köpfen des Baufeldes stehen sogenannte Schutzhaltscheiben – als Tageszeichen dient eine rechteckige rote Scheibe mit weißem Rand und als Nachtzeichen ein rotes Licht, das an der Scheibe angebracht ist. Zu den Gleisen hin, die noch in Betrieb sind, begrenzt der Bahnsteig der Gleise 4 und 5 das Baufeld und in dessen Verlängerung eine Absperrkette.

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Weil jede Baustelle anders ist, gibt es zu jeder Baustelle eine eigene Gefährdungsbeurteilung. Hat der Schweißer mit verschmutzten Oberflächen zu tun, ist die komplette Schweißermontur mit Schutzbrille, Visier, Gamaschen und nichtbrennbarer Arbeitskleidung vorgeschrieben. „Bei der Bahn ist das selten, aber in einem Chemiewerk kann das vorkommen“, sagt Kalthoff. Vieles kehre aber immer wieder, etwa die Helmpflicht unter und neben schwebenden Lasten wie den Gleisjochen oder Schwellen.

Ein Logistiker erklärt den Zweiwegebaggerfahrern, was sie auf dem Gleis beachten müssen. „Dort sind sie wie Lokführer und müssen wissen, welche Signale in ihrem Baufeld gültig sind und wie weit sie fahren dürfen, um weder den Eisenbahnbetrieb im Hauptgleis noch sich selbst zu gefährden“, sagt Kalthoff. Sonst gäbe es eine Schlagzeile mehr. „Das System ist sicher.“ Wenn etwas passiere, sei es eigentlich immer menschliches Versagen.

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In Pinneberg neigen sich die Arbeiten dem Ende entgegen. Mit dem Rüttler ist der Kies fest gemacht worden. Mensch und Maschine arbeiten zusammen, um Schwellen und Gleise zu verlegen. Bald können hier wieder die Züge rollen.
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