Die erste Baustelle
Baustellenkontrolleure bei der ArbeitDem Leichtsinn auf der Spur
von Holger Schmidt
und Andreas Arnold
Die erste Baustelle
Der erste Eindruck
Der gute erste Eindruck bestätigt sich auch bei näherem Hinsehen: Die Verkehrswege sind frei und ausgewiesen, die Materialien liegen akkurat an ihrem Platz. Die Arbeiter, die unter dem Kran mit dem Beton das Fundament gießen, tragen Helme. Am Eingang, gegenüber den Containern mit Büros und medizinischer Versorgung, steht ein Schild „Unsere Baustelle ist seit 49 Tagen ohne Unfall“. Was gleichbedeutend ist mit: seit Baubeginn. Und das soll auch bis zum Ende so bleiben.
Der unerwartete Besuch
Viel zu bemängeln hat Christian Haardt ohnehin nicht. Die Ordnung, klare Struktur und Lagerung der Materialien imponieren ihm sogar, das sei längst nicht überall so. Zwei handfeste Gründe sprechen dafür, erklärt Nagel: „Erstens passieren weniger Arbeitsunfälle. Zweitens ist die Produktivität höher, weil die Mitarbeiter nicht ständig nach Sachen suchen müssen.“
Das Positivbeispiel
Die Kritik
Denn das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) beugt Unfallverletzungen und Berufskrankheiten vor. Langärmelige Kleidung und lange Hosen gehören dazu. Zumal es auf Baustellen im Sommer einen erbarmungslosen „Feind“ gibt, der immer bedrohlicher wird: die Sonne.
Die Berufskrankheit Nr. 1
Das Zwischenfazit
Die zweite Baustelle
Die zweite Baustelle
Bauleiter und Polier geben sich angesichts des Überraschungsbesuchers entspannt. Das ändert sich bald, denn ein paar Dinge fallen Haardt sofort auf. Zum Beispiel wieder der UV-Schutz, ein Beschäftigter arbeitet auf dem Dach gar mit freiem Oberkörper in der prallen Sonne.
Da ist aber auch die Absturzsicherung. An der Außenseite des Gebäudes gibt es nichts zu beanstanden. „Das passt“, lobt Haardt, bevor er zum Hauptkritikpunkt kommt: Die Sicherung nach innen, wo die Arbeiter durchs Treppenloch mehr als zwei Meter hinabstürzen könnten, weist Mängel auf.
Die Absturzsicherung
Die Baustellenkreissäge
Anders sieht das bei einem wichtigen Arbeitsgerät aus. „Ist das eure Baustellenkreissäge?“, will Haardt wissen. Als der Polier bejaht, lässt die Reaktion der Aufsichtsperson nichts Gutes erahnen: „Oh, oh …“ Denn …
Die Konsequenzen
„Ganz so ungelegen“, verrät Haardt nach dem Verlassen der Baustelle, „kommt vielen Polieren mein Besuch gar nicht.“ Denn viele würden schon wissen, dass der Arbeitsschutz nicht den Vorschriften entspreche. Ein Bericht der Aufsichtsperson an das jeweilige Unternehmen könne den Druck erhöhen, ausreichendes und sicheres Arbeitsmaterial zur Verfügung zu stellen und sich um den Arbeitsschutz zu kümmern.
Mit einem Besichtigungsbericht will Haardt den Verantwortlichen einen Denkanstoß geben. Denn: „Ein Arbeitsunfall ist für ein Unternehmen ein wirtschaftlicher Totalschaden.“ Außerdem komme dann nicht nur die BG und stelle Fragen zum Unfallhergang. Regierungspräsidium und Polizei würden sich einschalten, bei schweren Unfällen ermittle die Staatsanwaltschaft.
Die meisten Firmen und die Bauarbeiter vor Ort zeigen sich einsichtig. Aber was, wenn nicht?
Die Amtshilfe
Die Statistik
Die am häufigsten angezeigten Berufskrankheiten waren weißer Hautkrebs (2.768), Lärmschwerhörigkeit (2.686) und Lungenkrebs im Zusammenhang mit Asbest (1.411).
Die Zahl der Arbeitsunfälle pro 1.000 Vollarbeiter hat sich in den vergangenen 25 Jahren zwar mehr als halbiert. Die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle hat in den vergangenen Jahren aber wieder zugenommen. 2020 kamen 97 Arbeiter bei Arbeitsunfällen ums Leben.
Die dritte Baustelle
Die dritte Baustelle
Das Problem Baufeld
Die anderen Schwierigkeiten
Die Pluspunkte
Lob für gibt es etwa für die Leitern und Tritte. Besonders die elektronischen Arbeitsbühnen hebt Haardt hervor. „Sie lassen sich ergonomisch auf die jeweilige Arbeitshöhe einstellen“, sagt die Aufsichtsperson. „Und sie haben gegenüber Leitern den Vorteil, dass sie einen Seitenschutz bieten.“ Denn die Leiter sei das gefährlichste Arbeitsmittel im Baubereich – jeder zweite Absturz sei ein Leiterunfall.
Dann entdeckt Haardt noch etwas, was ihm missfällt. Erdarbeiten vor einer Baustellentreppe, an der 27 Arbeiter ständig hin und her wuseln.
Die Gefährdung
Der Abschluss
Zum Abschluss verrät er, warum ihm sein Beruf als Aufsichtsperson so gut gefällt.