CoronaDeutschland fährt wieder hochWie es nach dem Lockdown weitergeht
von Holger Schmidt und Andreas Arnold
Hereinspaziert!Wo darf es zuerst hingehen? Sie haben die Wahl:
Auf dem Weg ins Museum
Schätze hinter Glas
Ihre Heimat haben die Pokale in Dortmund gefunden. Im Deutschen Fußballmuseum werden die Trophäen aufbewahrt. Die Besucher können sie sich in der Ausstellung anschauen, in der sogenannten Schatzkammer. Aber Fußball und Museum – passt das überhaupt zusammen? Ja, sagt Manuel Neukirchner und der Museumsdirektor erklärt auch, warum.
Warum Fußball ins Museum gehört
Erlebnis mit Maske und Mindestabstand
Das Online-Ticketsystem soll sicherstellen, dass in jeder Stunde maximal 75 Personen Eintritt erhalten und dass sich nie mehr als 300 Menschen gleichzeitig im Museum aufhalten – normalerweise sind 1200 Besucher erlaubt. Für Kurzentschlossene gibt es meist noch ein Restkontingent an der Tageskasse, die mit einer Trennwand der Corona-Situation Rechnung trägt.
Wer online eine Eintrittskarte gekauft hat, kann gleich ins Museum und in die Ausstellung hinein, ohne Schlange stehen zu müssen. Und schon auf dem Weg in die Ausstellung geht das Erlebnis los.
Es geht aufwärts
Aus den Lautsprechern ertönen während der Rolltreppenfahrt Sprechchöre. Und schon fühlt man sich ein wenig wie beim Weg ins Stadion. Das Gefühl setzt sich beim Gang durch den Spielertunnel fort. Hat man die Fotografen passiert, geht es mit der eigentlichen Ausstellung los. Und zwar mit den Helden, die 1954 das Wunder von Bern möglich machten.
In der Ausstellung
Mehr als Fußballgeschichte
„Aus! Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus!“, schrie der legendäre Radioreporter Herbert Zimmermann beim Abpfiff völlig euphorisch. Natürlich ist auch er zu hören und die Szenen des Spiels laufen dazu auf einem alten, kleinen Schwarz-Weiß-Röhrenfernseher. Jeder kennt den Kommentar und die Bilder, sie sind deutsche Geschichte. Wie man den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung trotzdem einen Mehrwert bieten kann, war das Problem, das es für Manuel Neukirchner zu lösen galt.
Das Wunder von Bern
Ein Ball statt Mona Lisa
Den Endspielball von 1954 - zu sehen ist übrigens nicht das Original, weil das noch bis Ende September für eine Fußballausstellung an das Günter-Grass-Haus nach Lübeck ausgeliehen ist - bezeichnet der Museumsdirektor immerhin als „Kronjuwel“ und „Gral des deutschen Fußballs“. Denn dessen Bedeutung geht über den Fußball hinaus, wie Manuel Neukirchner erläutert.
Rundgang als Einbahnstraße
In Dortmund habe man dabei „von innen nach außen gedacht“, erklärt der Museumsdirektor. „Wir haben uns am Besucher orientiert.“ Heißt: Erst stand die Planung des Ausstellungserlebnisses, dann folgte die Ausschreibung der Architektur. Der Plan ging auf. Mehr als 200.000 Menschen besuchen jährlich das 2015 eröffnete Fußballmuseum.
Pandemien wie Corona hatte bei der Konzeption niemand im Hinterkopf. Und dennoch hilft die Gestaltung der Ausstellung, wildes Gewusel auf den ohnehin weitläufigen 7.700 Quadratmetern Geschossfläche zu verhindern. Das vorhandene Personal lenkt im Eingangsbereich und im Foyer die Besucherströme so, dass die Abstandsregeln eingehalten werden. Auch in der Ausstellung kommen sich die Menschen nicht in die Quere. „Wir haben ein Einbahnstraßenprinzip beim Rundgang“, führt Manuel Neukirchner aus.
Einmal drehen, bitte!
Ach ja, und 1974 wurde auch eine ganz besondere Tradition begründet, die 1994 mit „Far away in America“ enden sollte – die der WM-Songs… auch die gibt es im Fußballmuseum, auch dafür gibt es coronabedingte Regeln.
Im Tonstudio
Auf Knopfdruck
Bei einem Miniaturnachbau des Stadions in Rom beispielsweise kann der Besucher entscheiden, was passiert: Will er das Duell zwischen Guido Buchwald und Argentiniens Star Diego Maradona im Finale von 1990 noch einmal erleben? Will er sehen, wie Franz Beckenbauer nach dem WM-Triumph einsam und gedankenverloren über den Rasen spaziert? Oder will er Andreas Brehme zum Strafstoß antreten lassen, den er zum 1:0-Siegtor verwandeln wird? Der Elfmeterpunkt gehört übrigens auch zu den Ausstellungsstücken.
Ein Knopfdruck löst die jeweilige Szene aus, hinterlässt aber auch Fingerabdrücke und birgt damit eine mögliche Ansteckungsgefahr. „Wir haben die Hygienemaßnahmen intensiviert“, versichert Manuel Neukirchner. Touchscreens und Knöpfe würden regelmäßig gereinigt und desinfiziert. „Wir wollen restriktiver statt lockerer sein. Einfach aus unserer Verantwortung heraus, den Besucherinnen und Besuchern sowie den Beschäftigten den bestmöglichen Schutz vor Ansteckungen bieten zu wollen.“
Nur mit Abstand gemeinsam
Da ist der Schuh, mit dem Mario Götze die DFB-Elf in der Verlängerung zum 1:0 gegen Argentinien schoss. Da sind die Trikots der WM-Helden Manuel Neuer und Miroslav Klose. Und da ist natürlich der riesengroße Ball im Mittelpunkt des Raums. Darauf wird das WM-Feeling lebendig, wenn Videos und Kommentare die Besucher geradezu nach Rio de Janeiro ins Maracanã-Stadion ziehen. Bis zum glitzernden Finale.
Goldene Generation
In der Schatzkammer
Nun sei Sicherheit in erster Linie als Schutz der Besucher und Beschäftigten vor Ansteckungen definiert. Bereits zwei Wochen vor der Öffnung habe man „mit gesundem Menschenverstand“ ein Konzept zum Gesundheitsschutz erstellt und getestet, betont der Direktor.
Mehr als sieben Wochen war das Deutsche Fußballmuseum wegen der Corona-Pandemie geschlossen. „In der Not wird man erfinderisch“, sagt Manuel Neukirchner, der die Zwangspause zum Anlass nahm, die Digitalisierung voranzutreiben. „Das Erleben im Museum ist durch nichts zu ersetzen. Aber man kann eine Vertiefung oder eine Ergänzung bieten.“
Gestärkt aus der Krise
1:0 für das Museum
In der Bundesliga rollt der Ball aber wieder. Meisterschale und DFB-Pokal werden – Stand jetzt – bis Ende Juni ausgespielt. Wenn auch vor leeren Rängen.
Wer Fußball als Erlebnis will, ist im Dortmunder Museum derzeit wohl besser aufgehoben. Und hat sogar einige Vorteile gegenüber der Vor-Corona-Zeit, wie Manuel Neukirchner findet.
Stressfrei genießen
Eine neue Herausforderung
Ende des Wildwuchses
Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von Schutzmaßnahmen zu beachten. Davon mache ich mir selbst ein Bild. Am Ende der ersten Woche nach Wiedereröffnung habe ich einen Termin in Tim Schädlichs „Total Beauty Salon“ in Eltville bekommen.
Keine Chance ohne Termin
Bevor es losgeht, muss ich noch meine persönlichen Daten (Name und E-Mail oder Telefonnummer) und den genauen Termin aufschreiben. Damit ist sichergestellt, dass im Falle einer Corona-Erkrankung die Infektionskette nachvollzogen werden kann.
Erst die Hände, dann die Haare
Eine neue Maske muss her
Überhaupt hat er seine Vorräte aufgestockt. „Wir haben noch einmal mehr Materialien zur Sicherheit besorgt, weil wir nicht wussten, wie viele Kunden kommen würden“, sagt Tim Schädlich. Mehr Umhänge, mehr Handtücher also. Damit es nicht zu Engpässen kommt. Denn in den BGW-Regeln ist unmissverständlich festgelegt, dass beispielsweise Kundenumhänge und die Schutzkittel der Beschäftigten nach jeder Behandlung in die Wäsche gehören. Eine ganz große Umstellung war das für Tim Schädlich und sein Team aber gar nicht, wie er im Video erklärt.
Planerische Herausforderungen
Der Ansturm war in den ersten Maiwochen enorm. „Das Pensum ist Wahnsinn, das ist schon heftig“, sagt Tim Schädlich. Um dem Herr zu werden, erweiterte er die Öffnungszeiten. Seine 20-köpfige Belegschaft und er arbeiteten in fest eingeteilten Schichtteams zusätzlich auch am eigentlich freien Montag, der Salon war von 9 bis 20 Uhr geöffnet, donnerstags – das galt aber schon vor der Corona-Krise – sogar bis 22 Uhr.
Darüber beklagt sich aber niemand. Im Gegenteil: „Die Kunden sind froh, dass sie bei uns wieder Termine bekommen. Wir sind froh, dass wir wieder arbeiten können“, zog Tim Schädlich schon am Ende der ersten Woche nach Wiedereröffnung Zwischenbilanz. „Zusammen kriegt man das gut hin.“
Gleichwohl brachten die strengen Auflagen planerische Herausforderungen mit sich. „Wir mussten uns erst einmal anschauen: Wie viel Zeit brauchen wir für einen Kunden? Wie viel Zeit brauchen wir für die Vorbereitung, sprich die Desinfektion der Arbeitsplätze und Werkzeuge?“, erklärt Tim Schädlich.
Verwöhnprogramm in der Light-Version
In seinem „Total Beauty Salon“ in Eltville im Rheingau besinnt er sich in der Anfangszeit nach dem Neustart zwangsweise auf das Wesentliche. Waschen, schneiden, föhnen heißt das. Make-up, Wimpern, Augenbrauen, Bartpflege – in der Anfangszeit nicht erlaubt. Wie auch eine Reihe anderer Serviceleistungen.
Update: Regeln gelockert
Besonders strikt sei auf die „ausschließlich personenbezogene Benutzung jeglicher Arbeitskleidung und persönlicher Schutzausrüstung (PSA) zu achten“, heißt es in einem dieser Nachträge zum Arbeitsschutzstandard.
Außerdem sind beispielsweise Gesichtsbehandlungen wie Make-up, Wimpernpflege oder Bartrasuren unter Auflagen wieder möglich. Bei diesen Dienstleistungen, so schreibt es die BGW, „tragen Beschäftigte immer mindestens FFP2-Masken oder Masken mit der Bezeichnung N95 und KN95, ergänzt durch eine Schutzbrille oder einen Gesichtsschild, um sich vor Kontaktinfektionen zu schützen. Zum Schutz der Kundschaft dürfen Atemschutzmasken kein Ausatemventil enthalten.“
Froh über die Zwangspause
Er stellte schon vor der Schließung eine Kalkulation auf: Was sind die laufenden Kosten? Wie lange halten wir durch ohne Einnahmen? Die sechs Wochen der Schließung seien für das Unternehmen schon ein harter Einschnitt gewesen: „Aber grundsätzlich bin ich der Meinung, dass irgendetwas falsch läuft, wenn ein Unternehmen es nicht schafft, mal sechs Wochen zu überbrücken.“
Die Frisur sitzt
Für mich heißt es nur noch: Rechnung bezahlen, raus an die frische Luft und die Maske abnehmen. Die Friseure hingegen müssen die Masken den ganzen Tag über bei der Arbeit tragen. Darum beneide ich sie – wie alle andere, denen es genauso geht – definitiv nicht. Aber Sicherheit geht nun einmal vor.